Clemens Daum, CGI

Clemens Daum

Director Consultant

Vor dem Hintergrund der Digitalisierung und verstärkt durch die derzeitigen wirtschaftlichen Schwierigkeiten stellen Unternehmen ihr Geschäftsmodell auf den Prüfstand. Sie trennen sich von Unternehmensteilen (Carve-Out) oder kaufen andere attraktive Sparten hinzu (Carve-In). Eine wesentliche Herausforderung solcher Transaktionen besteht darin, die komplexen Vorgänge eines Carve-In und Carve-Out bezogen auf die IT in möglichst kurzer Zeit, effektiv und mit hoher Qualität zu realisieren.

IT Carve-Out Readiness 

In dem vorangegangenen IT Carve-Out Blog haben wir uns mit den 5 Phasen eines Carve-Out und Carve-In befasst: Pre-Signing-Phase, Pre-Closing-Phase, Transition-Phase, Post-Cutting-Phase und Transformation. Bevor jedoch ein Carve-Out in die erste Phase geht, ist es von entscheidender Bedeutung, den geplanten Carve-Out durch das abgebenden Unternehmen solide vorzubereiten: die Durchführung der sogenannten IT Carve-Out Readiness.

Die Sicherstellung der Carve-Out Readiness ist notwendig, um vor der Initiierung eines Carve-Out einen genauen Überblick über mögliche Risiken, Zeitläufe und Kosten zu bekommen. Damit lassen sich Risiken erheblich verringern, die bei dem Vertragsabschluss und der eigentlichen Transition durch Intransparenz der Ausgangssituation und fehlende Prozesse entstehen. Korrekturen, die nach Vertragsabschluss und Start des Programmes vorgenommen werden müssen, haben unter Umständen weitreichende Folgen bis hin zu Strafzahlungen des Verkäufers, da ggf. zugesagte Leistungen nicht eingehalten werden können. Langfristige Aktivitäten, die nicht zwangsläufig in der Transition Phase selber durchgeführt werden müssen, sollten vorab durchgeführt werden.

Um IT Carve-Out Readiness in einem sinnvollen Umfang zu erreichen, ist es wichtig, vorab eine grobe Planung der gesamten Carve-Out Transition durchzuführen. Sind die Inhalte und erwarteten Ergebnisse jeder IT Carve-Out Phase grob vorgeplant, kann der Umfang der Maßnahmen, die in der Readiness Phase bearbeitet werden, wesentlich zielgenauer definiert werden. Beispielsweise kann bereits bei einer ersten groben Betrachtung der IT Separation Objekte deutlich werden, dass einige IT Bereiche nicht sinnvoll transferiert werden können, da der Ersatz dieser IT Bereiche mit anderen Lösungen wirtschaftlicher ist als die Transition. In diesem Fall ist dann nicht die Transition, sondern gegebenenfalls der Ersatz mit einer anderen Lösung der Inhalt des IT Carve-Out Programmes. Eine Aufnahme der betroffenen Infrastruktur Elemente in einem IT Carve-Out Readiness beinhaltet dann nur noch die Erfassung der eigentlichen Funktionen dieser Elemente, um später eine adäquate Lösung dafür zu identifizieren.

Die IT Carve-out Readiness-Planung sollte wie der gesamte IT-Carve-Out auf der Basis eines Standard Frameworks und standardisierten Checklisten durchgeführt werden. Dies hat bei einem IT-Carve-Out eines großen Flugzeugherstellers beispielsweise dazu geführt, dass die ursprünglich angenommene Kosten einer Transition um ca. 30% gesenkt werden konnte. Entscheidend war hier die lückenlose Planung mit Unterstützung durch CGI anhand eines definierten Framework Vorgehens- und Ablaufplans. Zum Einsatz kam hier ein von CGI entwickeltes IT Carve-Out Framework, in dem umfassende Erfahrungen und Best Practices aus zahlreichen durchgeführten IT Carve-Out Projekten eingeflossen sind. Die Module dieses Frameworks bieten eine strukturierte Unterstützung für alle Phasen eines IT Carve-Out, die sich einfach auf die jeweilige Carve-Out Situation anpassen lassen.

IT Carve-Out Readiness unterscheidet zwischen den Bereichen der strategischen Readiness, organisatorischen Readiness und IT Asset / Infrastruktur Readiness. Diese drei Bereiche sind gleichermaßen bedeutsam und betrachten teilweise dieselben Aspekte unter verschiedenen Blickwinkeln. Daher sollten diese Themen von einer gemeinsamen Arbeitsgruppe bearbeitet werden. 

Strategische Readiness:

Die Strategie sollte das grundsätzliche Ziel definieren und wesentliche Richtlinien zu dessen Erreichung vorgeben. Für einen Carve-Out definiert in der Regel das Business das übergeordnete Ziel. Dieses besteht bei einem Carve-Out darin, den betroffenen Geschäftsbereich, der transferiert werden soll, durch das abgebende Unternehmen präzise zu definieren und die grundsätzliche Form des Carve-Out festzulegen, wie z.B. Ausgliedern, Abspalten und Verkaufen. Die Strategie muss die grundsätzliche Unternehmensstrategie unterstützen und das unternehmerische Ziel des Carve-Outs festlegen, wie z.B. ein konsolidiertes Portfolio oder eine strategische Neuausrichtung.

Die IT muss möglichst frühzeitig aus den vorgegebenen Business Strategien die IT Carve-Out Strategien entwickeln. Dazu gehört wesentlich die Planung der zukünftigen IT-Struktur, passend zu dem angepassten Business Portfolio des abgebenden Unternehmens und damit zu den Zielen der IT Landschaft nach dem Carve-Out. Spätere Detail-Zielplanungen der IT Carve-Out Transition müssen sich daran orientieren.

Bestandteil der IT Carve-Out Strategie im Rahmen der Strategischen Readiness ist die Definition, wie sich die IT auf die M&A Ausrichtung des Unternehmens einstellt. Sofern das Unternehmen fortlaufende M&A Vorhaben zur Umsetzung von Geschäftsstrategien plant, kann es sinnvoll sein, umfassende IT Umsetzungskompetenz für IT Carve-Out Programme zu etablieren. Die Entwicklung eines IT Play Book als Unternehmensleitfaden zur Umsetzung von IT Carve-Out / Carve-In Programmen ist in diesem Fall sinnvoll. Eine verstärkt modular skalierbare IT-Architektur gewinnt mit dieser Unternehmensstrategie an Bedeutung. Aus der Unternehmensstrategie wird eine dediziert abgeleitete IT M&A-Strategie entwickelt.

Organisatorische Readiness:

Eine der wichtigsten organisatorischen Voraussetzung ist eine Verzahnung der IT mit den Bereichen Business und Legal. Bereits in den sehr frühen Phasen der Carve-Out Vorbereitung muss sichergestellt sein, dass Anforderungen aus dem Business und auch daraus abgeleitete Anforderungen der Legal Abteilung fortlaufend in IT Anforderungen übersetzt werden können. Nur so können von der IT frühzeitig Risiken erkannt und bearbeitet werden. Zu den Anforderungen des Business gehören neben Kosten Aspekten auch funktionale und zeitliche Vorgaben zu dem Carve-Out. Legal Anforderungen können sich z.B. aus gesetzlichen Auflagen ergeben, die von dem geplanten Carve-Out berücksichtigt werden müssen.

Ein Aspekt, der in IT Carve-Out Programmen häufig unterschätzt wird, ist die Betrachtung laufender Projekte. Zu einem bestimmten Zeitpunkt im Rahmen des IT Carve-Out ist es notwendig, laufende IT-Projekte, die das zu veräußernde Geschäftsfeld betreffen, zu koordinieren. Dazu gibt es verschiedene Möglichkeiten, wie das definierte Beenden, Übergeben der Projekte an den Käufer, temporär gemeinsames Weiterführen mit dem Käufer und die Neuplanung der Projekte. Auch hier ist die Handhabung betroffener Daten, die zu den Projekten gehören, ein kritischer Aspekt. Der Zeitpunkt der Übergabe der Daten muss für laufende Projekte genau abgestimmt sein. Die Carve-Out Readiness muss bereits im Vorfeld diejenigen Projekte identifizieren, die zu langlaufenden Programmen gehören und voraussichtlich in die Carve-Out Phase fallen werden. Das Vorgehen zu diesen Programmen muss festgelegt und daraus resultierende Aktivitäten ggf. bereits in der Readiness Phase gestartet werden, um die eigentliche Transition Phase zu erleichtern.

IT Asset / Infrastruktur Readiness:

Bereits vor der ersten Carve-Out Phase sollte das Unternehmen einen möglichst klaren Blick darauf haben, welche IT-Objekte dem betroffenen Geschäftsbereich zuzuordnen sind und somit von dem IT- Carve-Out betrachtet werden müssen. Neben den Infrastrukturkomponenten und IT-Systemen gehören die Daten und Lizenzen dazu. Daraus kann in einem sehr frühen Stadium von einem erfahrenen IT-Carve-Out-Team eine Abschätzung zu Kosten, zeitlichen Abläufen und Risiken, die sich daraus ergeben, gewonnen werden. Im gleichen Zuge sollten die jeweiligen Betriebskonzepte transparent sein, da das Herauslösen der Objekte erheblichen Einfluss auf die zukünftigen Betriebskonzepte haben kann und daher entsprechend vorbereitet werden muss. Insbesondere die Erkenntnisse aus Kostenabschätzungen und Dauer der Transition sollten sehr frühzeitig vorliegen und in die Pre-Signing-Phase und Carve-Out Vertragsgestaltung einfließen.

Um notwendige Anpassungen von Geschäftsstrategien umzusetzen, werden bei Unternehmen mit einer ausgeprägten M&A Strategie regelmäßig diverse Merger und Carve-Out durchgeführt. Ein Carve-Out ist hier manchmal sogar die Voraussetzung, um einen Merger durchzuführen. Dies kann z.B. durch behördliche Auflagen gefordert sein. Hierbei ist es insbesondere wichtig, dass die IT Carve-Out- und Carve-In Aktivitäten ohne jegliche Unterbrechung oder Beeinträchtigung der geschäftlichen Tätigkeiten stattfinden. Unternehmen mit derart langfristigen M&A Strategie planen die Infrastruktur Architektur mit umfassender Modularisierung und verbinden IT Carve-Out häufig mit der Umsetzung von Cloud Strategien.

Eine ausgeprägte Form dieser Strategie ist der reine ‚Cloud-Based Carve-Out‘: bei dieser Methodik werden zunächst für die einzelnen Geschäftsbereiche die End-to-End-Geschäftsprozesse separat definiert. Im nächsten Schritt werden Cloud basierte Lösungsumgebungen für diese Geschäftsbereiche aufgebaut, einschließlich eines kompletten Stacks aus Infrastruktur und IT-Anwendungen. Ziel ist es, die Geschäftsprozesse jeweils einzeln vollständig über die Cloud Umgebungen abzubilden. Im Falle eines Carve-Out können diese Umgebungen sehr schnell und unkompliziert an den Käufer übertragen werden. Die Methode verringert nicht nur die mit einem Carve-Out verbundenen Risiken bezüglich Kosten, Qualität und Zeit erheblich. Sie ermöglicht im Falle von Mergern gleichzeitig sowohl an der Integration des neuen Geschäftsbereiches, als auch an dem Herauslösen des veräußerten Geschäftsbereiches zu arbeiten. Daraus werden umfangreiche Zeiteinsparungen erzielt. Der Aufbau derartiger Cloud Umgebungen ist in diesen Fällen wesentlicher Bestandteil der IT Carve-Out Readiness.

FAZIT 

Die Durchführung von Carve-Out- und Carve-In-Programmen stellt eine komplexe Herausforderung dar. Zum Zeitpunkt des Carve-Out Vertragsabschlusses sind in der Regel zahlreiche Fakten zu dem IT Anteil des Carve-Outs nicht bekannt. Zudem ist die eigentliche IT Carve-Out Transition Phase im Allgemeinen sehr kurz bemessen und mit limitiertem Budget versehen. Um Risiken bei dem Vertragsabschluss zu verringern und zudem Aktivitäten aus der Transition Phase vorab herauszulösen, wird die die sogenannte IT Carve-Out Readiness durchgeführt auf den 3 Ebenen: strategische Readiness, organisatorische Readiness und IT Asset / Infrastruktur Readiness.
Durch das frühzeitige Schaffen von Transparenz in den betroffenen IT Bereichen und einer gezielten Vorabplanung können IT Carve-Out Kosten über 30% gesenkt werden. Der Einsatz eines Standard IT Carve-Out Frameworks erleichtert eine erfolgreiche IT Carve-Out Readiness erheblich.

 

Lesen sie auch den ersten Teil: Wie die Herausforderungen von IT Carve-out und IT Carve-in Programmen gemeistert werden können

 

Über diesen Autor

Clemens Daum, CGI

Clemens Daum

Director Consultant

Clemens Daum leitet seit über 20 Jahren internationale Outsourcing Programme und Carve-out / Carve-in Transaktionen in Europa und den USA. Der Schwerpunkt lag in den letzten Jahren auf Carve-out Programmen von Konzernen, die initiiert wurden, um das Geschäftsportfolio zu optimieren. Mit den zahlreichen Transkationen ...