Stefan Röther, CGI

Stefan Röther

Director Consulting Services im Bereich Public & Private Banks

AI, KI oder Machine Learning: Die Begriffsgrenzen sind fließend. Aber das Thema ist so aktuell wie nie. Seit mehr als 50 Jahren nutzen vor allem Banken die Informationstechnologie, um ihre Daten zu managen und abzusichern. Im Zeitalter der Digitalisierung werden dabei mehr und mehr Daten generiert. Banken müssen sich der Herausforderung stellen, diese Daten sinnvoll selbst oder durch sogenannte Ecosysteme – nicht zuletzt auch durch PSD II – für neue Produkte und Dienstleistungen zu nutzen. Wobei, auch das muss gesagt werden, die Analyse der Daten und die Anwendung neuer bzw. verbesserter Algorithmen nicht ganz risikofrei sind. Bevor die Möglichkeiten neuer Umsatzströme aufgezeigt werden, ein paar grundsätzliche Anmerkungen für eine erfolgreiche Umsetzung aus Sicht von CGI.

Erste Schritte zur Nutzung von KI und Big Data Analytics

Jedes Projekt sollte mit einer klaren Zielsetzung beginnen. Was ist es, was wir automatisieren oder erreichen wollen? Wo liegt der Nutzen oder besser der monetäre Wert des angestrebten Ergebnisses? Soll ein Projekt zum Beispiel einen echten RoI liefern oder geht es „nur“ um die Bestätigung der Machbarkeit? Ein schönes Beispiel ist die Nutzung der Daten – und eines entsprechenden Algorithmus – aus den Transaktionen eines Unternehmen bei einer Bank zur Bewertung der Liquidität. Mit den transaktionalen und sonstigen demographischen Daten sollte eine Bank in der Lage sein, entsprechende maßgeschneiderte Angebote für kurzfristige Kredite oder sonstige Produkte aus ihrem Portfolio für einen Kunden zu liefern.

Das Ganze kann – wie einige Banken ja zeigen – sogar weitgehend automatisiert werden: Ein Entscheider beim Kunden erhält proaktiv entsprechende Vorschläge zur Optimierung des Cashflows oder der Finanzierungen. Sogenannte Robo-Advisors, die im Privatkundengeschäft schon verbreitet sind, kommen im Firmenkundengeschäft gerade erst zum Einsatz. Dieser Ansatz ermöglicht es, neues Geschäft effektiv zu generieren und hilft dem Nutzer, sein Unternehmen mit optimierten Finanzierungsmöglichkeiten auszustatten.

Wenn der Use Case und das angestrebte Ergebnis definiert sind, kann sich die Bank mit den notwendigen Technologien und Plattformen beschäftigen. Angenommen, Machine Learning ist die gewählte Technologie. Diese Technik erlaubt es, Auswertungen und Muster aus großen Datenbeständen zu extrahieren. So könnte man etwa das Zahlungsverhalten automatisiert beobachten und nach entsprechenden Mustern suchen. Klassisch ist zum Beispiel das Verhalten am Monatsende – werden Rechnungen immer zeitgerecht bezahlt oder gibt es Lücken und Verzögerungen.

Identifizieren und Nutzung geeigneter Daten

Es bleibt allerdings die Frage, welche Daten man für solche Auswertungen benutzen kann und soll. Bisher haben Organisationen große „Datawarehouses“ gebaut, die einen einfachen strukturierten Zugang zu Daten bereitstellen sollen. Diese werden oft für Berichte und Bewertungen genutzt. Freilich in den meisten Fällen dem eigentlichen Event nachgelagert. Algorithmen analysieren den „historischen Bestand“ und geben aus den gesammelten Informationen quasi einen „Best Practice“-Blick auf die bisherigen „Erfahrungen“. „Leider“ fallen heute mehr und mehr Echtzeit-Daten an. Außerdem liegt der Datenbestand als nicht strukturierte Information vor, etwa als Zeitungsartikel oder als Sprachinformation. Aber auch hierfür gibt es inzwischen alle möglichen Arten von Lösungen – oft auch aus der Cloud: So werden zum Beispiel ein dedizierter Bericht zur Wirtschaftslage einer Industrie und allgemeine Informationen zu einer Bewertung des Kreditrisikos eines Unternehmens herangezogen und dem Nutzer eine entsprechende Auswertung vorgeschlagen. Oft sind dabei die Daten gar nicht mehr in den Systemen der Bank (in einem eigenen „Repository“), sondern kommen aus der Cloud. Ob und wie die Organisation diese Daten nutzt, muss also neu bezüglich Risiko und Wert der Daten beurteilt werden. Sogenannte „Data Lakes“ ermöglichen technisch die Ablage von strukturierten und unstrukturierten Daten – und dienen dann als Basis für Machine Learning und weitergehende Analysen.

Ob und wie diese Daten den unterschiedlichen Nutzern – menschlichen oder Softwareagenten – zur Verfügung stehen sollen, muss die Organisation allerdings schon im Vorfeld bewerten. Dabei geht es zwar auch um die regulatorischen und rechtlichen Grundlagen, aber letztlich sollte auch der „Wert“ der Daten betrachtet werden: Sind die Daten „richtig genug“? Ist der Kontext – gerade bei unstrukturierten Daten – klar? Soll automatisch oder durch einen Bewertungsprozess eine Entscheidung auf der Basis dieser Daten getroffen oder unterstützt werden? Gerade bei der Nutzung von maschinellem Lernen wird das „Lernen“ von den verwendeten Daten beeinflusst. Analog der Generierung von Testdaten sollte man zumindest überlegen, ob der Algorithmus „frei“ oder „nach Vorgabe“ lernen soll bzw. muss. Dabei gilt es auch zu überlegen, wie z.B. aufsichtsrechtliche Anforderungen der Nachvollziehbarkeit einer Entscheidung bei Einsatz von KI und Regeln gewährleistet werden können.

Nutzen versus Risiken

Die Entwicklung neuer profitabler Einkünfte und die Reduzierung von Kosten sowie Risiken stehen laut einer CGI-Umfrage bei den meisten Business-Vertretern ganz oben auf der Prioritätsliste. Gerade die Nutzung von Daten und KI sind dabei die Technologie, von denen sich Unternehmen die signifikantesten Ergebnisse versprechen. Dabei zeichnet sich ein interessanter Wettlauf ab. Auf der einen Seite werden KI und Daten genutzt, um das Geschäft mit Kunden wie im oben beschriebenen Szenario der Finanzierung zu automatisieren. Auf der anderen Seite wird die eigene Risikoquote über einen ähnlichen Algorithmus – oft unter Nutzung von Lösungen sogenannter RegTechs – überwacht.

Geldwäsche und ihr Umfeld sind ein weiterer Bereich, in dem Machine Learning zum Einsatz kommt, um Betrugsfälle zu identifizieren oder „gutes“ von „schlechtem“ Verhalten unterscheiden zu können. Neu ist, dass neue Regeln „selbstständig“ definiert werden, um so Ergebnisse zu optimieren. Auf diese Weise versuchen Banken, der wachsenden „Intelligenz“ möglicher Betrüger proaktiver zu begegnen.

Nach den Ergebnissen der “2019 Global Treasurer News Transaction Banking Survey” sinkt gerade bei den CFOs im Treasury-Umfeld die Zufriedenheit mit ihren Bankpartnern. Über die letzten vier Jahre liegt die Zufriedenheit im Negativtrend. Gleichzeitig wächst der Wunsch nach mehr proaktiven Ideen oder der Schaffung von Mehrwertangeboten aus den zur Verfügung stehenden Daten.

Neben der Nutzung der Daten und der Automatisierung der Analysen müssen Banken gerade im Firmenkundenbereich beispielsweise durch die Einführung von KI-basierten Robo-Advisors Funktionen für neue und verbesserte Dienstleistungen erstellen, um im Markt wettbewerbsfähig bleiben zu können. Sicher ist, dass sich Künstliche Intelligenz und weitergehende Analysen mit Big Data oder sogar mit Open Data immer weiter entwickeln werden.

 


 

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Über diesen Autor

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Stefan Röther

Director Consulting Services im Bereich Public & Private Banks

Stefan Röther ist Director Consulting Services im Bereich Public & Private Bank und ist seit 20 Jahren im Projektgeschäft tätig. Als Projekt und Releasemanager liegen seine Schwerpunkte in der Beratung, Prozessgestaltung und Qualitätssicherung komplexer Großprojekte in diversen Branchen. Durch Bankausbildung und Studium ...